Digitalisierung: Brauchen wir das Mittelmanagement noch?

In dem Sonderheft 2016 „Change Management – wie agilen Unternehmen der Neustart gelingt“ des Harvard Business Managers beleuchtet Achim Mollbach einen interessanten Aspekt der Digitalisierung unserer Arbeitswelt: Die neue Rolle des Mittelmanagements. Oder gibt es das künftig gar nicht mehr?

Entscheidend ist aber die Frage, wie Unternehmen ihre Strukturen künftig gestalten müssen. In dem genannten Beitrag werden drei mögliche Zukunftsszenarien für die Rolle des Mittelmanagements skizziert. Alle drei sind interessant, doch aus meiner Sicht nicht gleichermaßen stark und realistisch. Hier kommt meine persönliche Bewertung zu den drei Szenarien.

IT statt Management

Im ersten Szenario beschreibt er den vollständigen Verzicht auf das Mittelmanagement und führt beispielsweise kleine IT-Unternehmen oder Uber als Vertreter dieser Idee auf. Hier wird zum Teil ganz auf Hierarchien verzichtet. Außerdem geht er auf die Software iCEO ein, die in einem Versuch 24 Manager bei der Erstellung eines Reports koordiniert hat – vollständig virtuell, was im Übrigen auch interessant vor dem Hintergrund der künstlichen Intelligenz als Führungskraft ist (hier mein Beitrag dazu).

IT statt Management ist ein innovativer und kostengünstiger Ansatz. Ich bezweifle jedoch, dass der vollständige Verzicht auf mittlere Führungsstrukturen langfristig zu mehr Zufriedenheit führt – es sei denn, das komplette Geschäftsmodell wird umgestellt.

Rolle des Top Managements: Architekten

Schon spannender finde ich den zweiten Ansatz, den der Autor beschreibt: In diesem geht es weniger um das Aufbrechen von Hierarchien, sondern darum, wie sie gestaltet werden. Unabhängig davon, was technisch möglich wäre (nämlich der direkte Austausch zwischen Top Management und Mitarbeitern), erhält die oberste Führungsriege die Rolle von Architekten, die die Bedingungen gestalten, unter denen die untergeordneten Hierarchieebenen arbeiten und gestalten können. Zudem greifen Top-Manager bei drohenden, krassen Fehlentwicklungen ein.

Dieses Verständnis von Management erscheint mir absolut relevant. Es muss nicht von heute auf morgen alles über Bord geworfen werden, was bis gestern noch galt.

Der Manager als Coach? Ja, aber nicht nur!

Das dritte Szenario, dass Mollbach aufzeichnet, um das Mittelmanagement bei der Stange zu halten, ist meiner Meinung nach keines, das sich durchsetzen wird. Hier wird die Rolle des Mittelmanagements neu definiert, und zwar werden die Manager offiziell zu Mentoren und Coaches ohne Entscheidungsbefugnis. Das halte ich für äußerst abstrakt. Wer sich durch Sachverstand und fachliche Expertise einen Namen gemacht hat, soll diesen nach seiner Beförderung ins Mittelmanagement fachunabhängig durch ausschließliche Mentorentätigkeiten behaupten? Mich jedenfalls hätte das demotiviert und nicht motiviert. Und es führte außerdem dazu, dass wichtiges Know-how auf der Strecke bliebe. Was natürlich nicht heißt, dass das Mittelmanagement nicht kräftig dazulernen kann hinsichtlich der Ausbildung und Anwendung von Soft Skills und Coachingfähigkeiten. Aber es wäre fatal, das gesamte Mittelmanagement darauf zu reduzieren.

Entscheidend: Wechsel und Integration

Meine Erfahrung zeigt: Unternehmen müssen sich hinsichtlich ihrer Strukturen nicht komplett neu erfinden, sondern müssen sich flexibilisieren. Nur dann können sie den Spagat zwischen Innovation und Bestandsgeschäft schaffen, genauer: das Bestandsgeschäft nutzen, um Innovationen zu entwickeln. Dafür braucht es gute Fachkräfte auf allen Ebenen, auch und vielleicht gerade im Mittelmanagement. Entscheidend ist, ob sie es schaffen, zwischen agilem Management und traditionellen Entscheidungsprozessen hin- und herzuswitchen und ob sie die agilen, innovationsfreundlichen Prozesse in die althergebrachten Strukturen integrieren können.

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Über den Autor: Willms Buhse

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Dr. Willms Buhse, CEO und Gründer von doubleYUU, bringt mit Digital Leadership die Innovationen des Silicon Valley in die Büros der deutschen Führungsetagen. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel und viele Top-Manager zählen zu seinen Kunden. Er hält Vorträge in Harvard, am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an deutschen Elite-Universitäten in Berlin, München oder Hamburg. Dr. Willms Buhse gilt über deutsche Grenzen hinaus als Vordenker der digitalen Elite. Wie kein Zweiter versteht er es, Ideen und Impulse aus der digitalen Welt auf die Realität deutscher Unternehmen zu übertragen.