Auf Wiedersehen, Einzelkämpfer: Die Zukunft gehört vernetzten Verkäufern und Verkaufsteams

Wer verkauft, kann eigentlich kein Team Player sein – zu individuell sind die Methoden, um Kunden zu überzeugen, zu individuell die auf den zählbaren Erfolg des Einzelnen ausgerichteten Vergütungssmodelle für den einzelnen Verkäufer. In vielen Unternehmen bilden die Sales-Teams daher eher einen Staat im Staat als dass sie als Teil des Ganzen verstanden werden – eine spezielle Truppe, die mit eigenen Tools arbeitet und anders als alle anderen entlohnt und weiterentwickelt wird.

Doch die Zeit der Einzelkämpfer im Vertrieb scheint sich langsam dem Ende zuzuneigen – und an ihre Stelle treten die vernetzten Verkäufer, wie Brent Adamson, Matthew Dixon and Nicholas Toman im Harvard Busines Review schreiben: „Strong sellers don’t merely execute their day-to-day tasks well; they also engage with their colleagues to marshal ressources, wrangle involvement, and coordinate people’s capabilities.“

Hintergrund: Die meisten Accounts sind heute so komplex, dass ein Einzelner sie kaum noch vollständig im Überblick behalten kann. Wer sich vor Augen hält, auf wie vielen Feldern globale Unternehmen tätig sind, kann schnell verstehen, dass nur ein Team alle Apskete der Beziehung zu einem großen Schlüsselkunden im Blick behalten kann. Oder könnten Sie – auch nach einem halben Tag Recherche – alle Felder definieren, auf denen etwa Siemens, BMW oder Procter & Gamble im nächsten halben Jahr aktiv sein wollen? Welche Messen, welche Werbemaßnahmen für welche Unternehmensteile und Produkte dieser Riesen wichtig sein könnten? Welche IT-Projekte oder Bauvorhaben gestartet werden oder bereits laufen, sich verzögert haben oder welche Gelegenheiten es sonst gibt, die eigenen Produkte und Services bei potentiellen Abnehmern ins Spiel zu bringen?

Schon für das interne Zusammentragen von Informationen in kollaborativen Arbeitsprozessen ist das Vernetzen für erfolgreiche Sales-Profis ein Muss. Und andererseits erleben wir mitunter auch, dass Lieferanten etwa die Nerven von großen Abnehmern strapazieren, weil Verkäufer A heute mit einem Angebot bei ihrem Chefeinkäufer aufläuft und drei Wochen später Verkäufer B mit einem anderen Produkt bei dem selben Einkäufer auf der Matte steht. Wer Leads poolt und Wissen teilt, spart nicht nur sich und dem Kunden Zeit, indem er die Zahl der Termine reduziert, sondern schafft es auch eher, Abverkaufschancen zu realisieren, die vorher nicht sichtbar waren.

Zugleich schaffen es vernetzte Verkaufsteams besser, auf Bedürfnisse von Kunden zu reagieren, denn diese befinden sich inzwischen wegen zunehmender Marktunwägbarkeiten eher in einem permanenten Zustand der Unsicherheit als dass sie verlässlich planen können. Das zumindest legt ein weiterer Artikel dieses Autorenteams nahe.

In einer Welt, in der der Einkauf aber immer weniger prozessgetrieben und eindeutig planbar erfolgt, steigt zugleich der Bedarf nach Sales-Profis, die anders als bisher Beziehungen aufbauen. Nicht mehr das Ergebnis steht im Vordergrund, sondern die Positionierung als Problemlöser, als Ansprechpartner für Fragen, auch wenn diese nicht direkt zu einem Auftrag führen. Diesen Aspekt – die Vorteile, die eine Vernetzung für Vertriebsmitarbeiter auch mit der Dimension der externen Vernetzung nach Außen, etwa über Businessnetzwerke bringt – wird allerdings in den (nichtsdestotrotz sehr lesenswerten Artikeln) kaum berücksichtigt.

Unsere Beobachtung ist, dass die Positionierung von Verkäufern als gut vernetzte Experten ebenfalls Unternehmen hilft, in einem neuen, von Agilität und Umbrüchen geprägten Geschäftsumfeld Chancen wahrzunehmen – indem sie das alte „Push“-Prinzip im Vertrieb um eine „Pull“-Dimension erweitern, bei der Kunden im Idealfall Rat und Angebot des Experten suchen, statt dass dieser nach einem Termin für seinen Sales Pitch betteln muss.
Es ist eine Entwicklung, die James Altrucher gerade in seinem „Ultimate Cheat Sheet For Selling Anything“ ebenfalls aufgegriffen hat.

Nichts sei falscher, schreibt er, als potentiellen Kunden mit permanenten Angeboten auf die Nerven zu gehen. „If you do that, you end up in the spam box. Then you end up in the coffin box. In other words, you end up dead to the person you are trying to sell to. Instead, remember point A. Be a friend. However flimsy that connection of friendship is. Follow on Twitter, follow on Facebook. Say nice things about the person to other people. Never gossip. Do the art of the “check in.” Send updates after the “No” on how you are doing, on how the product or service or business or whatever is doing. Not every day. Maybe once a month. Maybe once a year. Who knows. Eventually you will find the “yes” with that person. It could be, and often is, up to 20 years later. Who knows? You plant a seed and eventually the garden blooms.“

Für Menschen, die sich im aktiven Verkauf so schwer tun wie ich, sind das Zeilen, die irgendwie auch etwas sehr Beruhigendes haben. Und wem das verkaufen mehr im Blut liegt als mir, den sollte die Erkenntnis, dass Vernetzung sich absolut auszahlen kann, ohnehin noch mehr beflügeln, sich in das Abenteuer Vernetzung zu stürzen.

Über den Autor: Willms Buhse

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Dr. Willms Buhse, CEO und Gründer von doubleYUU, bringt mit Digital Leadership die Innovationen des Silicon Valley in die Büros der deutschen Führungsetagen. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel und viele Top-Manager zählen zu seinen Kunden. Er hält Vorträge in Harvard, am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an deutschen Elite-Universitäten in Berlin, München oder Hamburg. Dr. Willms Buhse gilt über deutsche Grenzen hinaus als Vordenker der digitalen Elite. Wie kein Zweiter versteht er es, Ideen und Impulse aus der digitalen Welt auf die Realität deutscher Unternehmen zu übertragen.