Die Crowd misst rund um Fukushima

Es waren schlechte Nachrichten, die vom Atomreaktor Fukushima in Japan in der letzten Woche bekannt wurden. Radioaktives Grundwasser verseucht die Umgebung, es gelangt ins Meer. Die eigens dazu geschaffenen Barrieren halten nicht. Wie vieles rund um den Unglücksreaktor ist unklar, was dies eigentlich für die Menschen und die Umwelt in Japan und anderswo auf der Welt im Detail bedeutet. Die japanischen Behörden geizen in der Regel mit Informationen und Daten rund um das zerstörte Atomkraftwerk – und in noch höherem Maße agiert das Betreiberunternehmen Tepco nach dem Prinzip „Verschlossene Auster“.

Viele Netzaktivisten in Japan geben sich damit aber nicht zufrieden. Sie haben ein eigenes Messsystem rund um Fukushima aufgebaut – ein Corwdsouring-Projekt, das in der letzten Woche ein Jubiläum feierte. Ich habe darüber als Netsurfer für den WDR und Radio Bremen berichtet.

Das Projekt trägt den Namen Safecast: Seit der Atomkatastrohe in Fukushima vor etwa mehr als zwei Jahren messen Freiwillige dabei, wie sich die Radioaktivitätswerte im Nordwesten Japans entwickeln. Die Crowd hat dabei mehr als zehn Millionen Datenpunkte gesammelt.

 

Aus diesen Datenpunkten erstellen Netzaktivisten fortlaufend die bislang detaillierteste Strahlenkarte Japans. Und diese Messungen sind sogar genauer als die der japanischen Behörden, sagen Experten.

SafeCast Corwdsourcing Projekt Screen-Shot-2013-06-16-at-2.37.27-PM

Freiwillige haben sich dafür entweder für bis zu 1000 Dollar ein fertiges Messgerät gekauft, oder sie konnten sich diesen Geigerzähler für rund 450 Dollar selbst zusammenbauen. Mehr als 150 Menschen sammeln nun mit Geigerzählern im Nordwesten Japans Daten, zum Beispiel, indem sie diese kleinen Boxen an ihren Autos befestigt haben. Überall, wo sie hinfahren, messen sie automatisch die Radioaktivitätswerte.

Obwohl die japanische Regierung ihre eigenen Statistiken erstellt, gelten diese Daten manchmal als unzuverlässig. Denn bis heute ist zum Beispiel nicht klar, ob die Zahl der Messstellen eigentlich ausreicht, um ein Bild der Lage zu erfassen. Zudem sind die Daten, die die Regierung sammelt, nicht immer komplett der Öffentlichkeit zugänglich.

Die Daten von Safecast werden dagegen im Internet komplett auf einer Karte zusammengefasst und visuell aufbereitet und sind dann über die Safecast-Website verfügbar. Dadurch sieht man auch, dass sie genauer sind als die Daten der Regierung. Die Safecast-Daten zeigen beispielsweise, dass es in der Region, die rund um Fukushima evakuiert wurde, durchaus Gebiete gab und gibt, die man gar nicht hätte evakuieren müssen.

Das Projekt wurde eine Woche nach dem Beben ins Leben gerufen. Sean Bonner, Gründer eines Hackerspaces in Los Angeles, Joi Ito, Direktor am Media Lab des Massachusetts Institute of Technology und Pieter Franken, Gastdozent an der Keio-Universität in Tokio, sammelten dafür Geld über das Crowdfunding-Portal Kickstarter.

Bislang gibt es so ein Projekt in dieser Form nur in Japan, wo man im Hackerspace in Tokyo beheimatet ist. Für Deutschland wäre es aber natürlich auch eine naheliegende Überlegung, in der Nähe von Atomkraftwerken oder dem Atommüll-Endlager, dass ja nun irgendwann irgendwo in Deutschland entstehen soll, derartige Freiwilligen-Messungen zu etablieren. Eben damit die Öffentlichkeit immer korrekt informiert ist – unabhängig von dem, was Behörden oder Unternehmen veröffentlichen wollen.

Übrigens wird Safecast unter anderem von GlobalGiving gefördert – der Organisation, deren Gründerin Mari Kuraishi 2013 mit unserem LIDA-Award ausgezeichnet wurde. So schließen sich manche Kreise…

Über den Autor: Willms Buhse

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Dr. Willms Buhse, CEO und Gründer von doubleYUU, bringt mit Digital Leadership die Innovationen des Silicon Valley in die Büros der deutschen Führungsetagen. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel und viele Top-Manager zählen zu seinen Kunden. Er hält Vorträge in Harvard, am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an deutschen Elite-Universitäten in Berlin, München oder Hamburg. Dr. Willms Buhse gilt über deutsche Grenzen hinaus als Vordenker der digitalen Elite. Wie kein Zweiter versteht er es, Ideen und Impulse aus der digitalen Welt auf die Realität deutscher Unternehmen zu übertragen.