Vom egozentrischen Torjäger zum T-shaped Manager
Patrick Helmes oder Cacau? Die Frage welcher dieser beiden Stürmer in den Kader für die Fußball-EM 2012 rücken soll, hat Bundestrainer Jogi Löw klar beantwortet: Er setzt weiterhin auf den fleißigen Stuttgarter Cacau. Der trifft das Tor derzeit gar nicht, während Helmes für Wolfsburg in den letzten zehn Spielen zehn Tore geschossen hat. Löw bleibt damit seiner Linie treu: Der Star ist die Mannschaft, der beste Stürmer ist der, der am besten zu ihr passt. Nicht der, der einfach nur die meisten Tore schießt.
Was diese Meldung mit dem Thema Enterprise 2.0 zu tun hat? Vor einiger Zeit haben wir in diesem Blog über Online Collaboration als Mannschaftsleistung geschrieben. Gemeinsam ist das Team am stärksten. Soweit so gut. Aber was ist, wenn das „beste Pferd im Stall“ sich nicht an der Collaboration beteiligt? Wenn ein Torjäger vor allem Tore schießt, sich aber sonst nicht weiter darum kümmert, wie die Mannschaft spielt? Ins Business übertragen: Wie also umgehen mit einem Verkäufer, der tolle Zahlen liefert, aber die interne Zusammenarbeit ausblendet?

Der T-shaped Manager nimmt nicht nur seinen eigenen Aufgabenbereich wahr, sondern richtet seine Aufmerksamkeit auch auf weitere Felder innerhalb des Unternehmens. Der Begriff wurde 1991 von David Guest in einem Artikel mit dem Titel „The Hunt is on for the Renaissance Man of Computing” eingeführt.
Mitarbeiter, die im Alleingang die besten Ergebnisse erzielen, werden von Morten T. Hansen in seinem Buch „Collaboration“ als „Lone Stars“ – einsame Stars definiert. Ähnlich wie im Sportteam sind sie diejenigen, die losstürmen und sich nicht noch einmal umschauen, bevor sie den Ball im Tor versenken. Die einsamen Stars sind effektiv, denn sie erreichen ihr Ziel, allerdings ohne das Team. In einer Organisation, die Collaboration einführen will, sind einsame Stars gefährlich, denn sie tragen nicht zur Zusammenarbeit bei. Sollte man deshalb auf sie verzichten – vor allem, wenn man nicht wie der Bundestrainer die Wahl hat, nach Belieben andere Spitzenkönner zu nominieren, die ein wenig besser in das Profil passen? Oder muss ein Manager Konsequenzen ziehen, wenn ein „Lone Star“ die Zusammenarbeit verweigert?
In der Regel ist das eine Frage der Abwägung – ein guter Salesprofi ist natürlich nicht einfach zu ersetzen. Und Umsatz generiert er auch noch. Hansen verweist aber darauf, dass die Entscheidung oft nicht darin besteht, den Salesprofi zu halten oder sich von ihm zu trennen. In vielen Fällen stehen der Collaboration nicht mangelnder Wille im Weg sondern antrainierte Gewohnheiten. Es ist also möglich den Superstürmer mit extra Training und Aufmerksamkeit dazu zu erziehen, gemeinsam mit dem Team zu arbeiten.
Morten beschreibt den optimalen Mitarbeiter für eine auf Collaboration ausgerichtete Organisation als T-shaped. Der Name basiert offensichtlich auf der Ähnlichkeit des Buchstaben T mit einem Menschen, der die Arme ausstreckt. Solch ein Mitarbeiter fühlt sich nicht nur für seine eigenen Aufgabenbereiche (Siehe die vertikale Linie des Ts in der Grafik) verantwortlich, sondern auch für andere Bereiche innerhalb der Organisation (die horizontale Linie des Ts). Dadurch entsteht eine natürliche Collaboration zwischen Abteilungen, die zu produktiven Synergien führen kann. Für eine Organisation, die sich zur Collaboration entschieden hat, ist die beste Lösung, ein Change Management einzusetzen, das die einsamen Stars in T-shaped Mitarbeiter umwandelt.
Erst wenn es dann mit der Teamarbeit immer noch nicht funktioniert, muss die Frage gestellt werden, ob der Prozess massiv unter dem einsamen Star leidet oder ob der Nutzen eines solchen Mitarbeiters größer ist als seine fehlende Collaboration. Vielleicht ein Superstürmer mit seinen zehn Toren im Alleingang den Abstieg abwenden. Aber nur eine genaue Analyse kann zeigen, ob er mit seiner egozentrischen Spielweise vielleicht im selben Moment 20 andere Tore verhindert.