Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Blindes Vertrauen im Netz und seine Folgen

Während wir ja anpreisen, dass in Sozialen Netzwerken das Wissen von vielen zusammengeführt und maximiert wird, kann das auch problematisch sein. Denn genau das, was mit Wissen passiert, passiert im ungünstigsten Fall auch mit dem Unwissen: Es wird verbreitet und vergrößert und am Ende kann es sein, dass alle etwas glauben, das schlicht und ergreifend falsch ist.

So geschehen im Zusammenhang mit den Anschlägen beim Boston-Marathon. Die Fahndung nach den Tätern lief auf Hochtouren, und schließlich wurde sogar die ganze Stadt unter Hausarrest gestellt. Dabei hatte die Bevölkerung natürlich viel Zeit, um sich selbst online auf die Suche nach Schuldigen zu machen. Schließlich kursierten auf Twitter und Reddit Namen und sogar Bilder von vermeintlich Verdächtigen, die als „schuldig“ gebrandmarkt wurden.

Wie sie der Öffentlichkeit vorgeführt wurden, das war nicht nur total daneben, sondern zeigte auch: Nur weil auf einmal ganz viele Menschen im Netz versuchen, Videos aus Überwachungskameras zu analysieren, schaffen sie es lange noch nicht, die Täter zu ermitteln – im Gegenteil, die Fotos von vielen Unschuldigen wurden tausendfach im Netz verbreitet. Rufmord 2.0 könnte man das nennen.

Es ging schließlich sogar so weit, dass Zeitungen die Fotos auf ihren Titelseiten druckten – obwohl es von offizieller Seite nie eine Bestätigung gab. Ganz verhindern kann man solche Falschmeldungen nicht, aber was in Boston passiert ist, kann uns Social Media Nutzern durchaus eine Lehre sein.

Denn obwohl die Meldungen in sozialen Netzwerken von Menschen kommen, denen wir vertrauen und die unsere Freunde sind, ist besonders bei dermaßen brisanten Themen trotzdem Vorsicht geboten.

Inzwischen gibt es sogar Tools, die helfen sollen, richtige von falschen Neuigkeiten zu unterscheiden: eBay und Amazon nutzen beispielsweise schon lange Reputationssysteme. Dort gilt ja: Wer seine Waren stets ordentlich liefert oder prompt zahlt, gilt mit der Zeit als verlässlicher Nutzer. Und so ähnlich funktioniert zum Beispiel schon die App Swift River. Damit kann man Nachrichten aus sozialen Medien vorfiltern, indem man bestimmte Nutzer als unterschiedlich glaubwürdig einstuft. Bei denen, die immer einen kühlen Kopf behalten und alles Doppelchecken, lese ich alles, bei meinen etwas Voreiligen Freunden wird erst einmal gefiltert und wenn eine vertrauenswürdige Quelle einen Fakt bestätigt, kommt die Meldung zu mir durch.

Wer nun aber meint, die Theorie der Schwarmintelligenz sei widerlegt, der täuscht sich. Vielmehr ist es sogar ein Beweis dafür: Denn wenn sich Falschmeldungen so schnell in alle Welt verbreiten können, dann können es richtige Meldungen und echtes Wissen und gute Ideen gleichermaßen, wenn nicht sogar schneller.

Viele vernetzte Nutzer sind nach wie vor oft dazu in der Lage, bessere Antworten für einen bestimmte Fragestellung zu finden als ein einzelner Experte.

Über den Autor: Willms Buhse

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Dr. Willms Buhse, CEO und Gründer von doubleYUU, bringt mit Digital Leadership die Innovationen des Silicon Valley in die Büros der deutschen Führungsetagen. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel und viele Top-Manager zählen zu seinen Kunden. Er hält Vorträge in Harvard, am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an deutschen Elite-Universitäten in Berlin, München oder Hamburg. Dr. Willms Buhse gilt über deutsche Grenzen hinaus als Vordenker der digitalen Elite. Wie kein Zweiter versteht er es, Ideen und Impulse aus der digitalen Welt auf die Realität deutscher Unternehmen zu übertragen.