Wer braucht hier eigentlich ein „Update“? Einordnung der Apple-Bilanz zeigt, wie wenig die Wirtschaftspresse von strategischen Transformations­prozessen versteht

Das hat mich geärgert. Bei der Analyse der aktuellen Quartalszahlen des iKonzerns scheinen sich weite Teile der deutschen Presse einig: „Apple braucht ein Update“, konstatiert beispielsweise das Handelsblatt. Andere formulieren ihr Bashing sogar noch drastischer.

Was war passiert? Die iPhone-Mutter meldete für das Weihnachtsgeschäft einen Gewinn von 19,97 Milliarden Dollar oder 4,18 Dollar pro Aktie. Vernichtendes Resümee der Medien-Experten: „Ein Ende der harten Zeiten ist kaum in Sicht“. Aha. Wirklich harte Zeiten die 20 Milliarden Gewinn in 3 Monaten.

Da frage ich mich mit einigen Tagen abstand immer noch, ob nicht vielleicht auch der deutsche Wirtschaftsjournalismus ein Update braucht?

Tatsächlich war es für den Konzern der zweithöchste Quartalsumsatz aller Zeiten

Denn selbst wenn der iKonzern aus Kalifornien die Erwartungen der Anleger nicht erfüllte und sie deshalb die Aktie auf Talfahrt schickten, bleiben die Zahlen mehr als beeindruckend. Nur noch einmal zur Einordnung: Es war für den Konzern der zweithöchste Quartalsumsatz aller Zeiten, wie Björn Ognibeni unter meinem  Facebook-Posting anmerkte, in dem ich meinem Unmut direkt nach Erscheinen des Artikels Luft gemacht hatte.

Süffisant notierte Frank Schwab unter demselben Posting: „Mit einem Apple Jahresgewinn kann man (aber wer möchte das schon) ganz locker eine Deutsche Bank kaufen.“

Medialer Umgang mit den Apple-Zahlen offenbart einen erheblichen Mangel an Verständnis für Transformationsprozesse

Grundsätzlich offenbart der mediale Umgang mit den aktuellen Zahlen von Apple hierzulande einen erheblichen Mangel an Wissen und Verständnis für Transformationsprozesse. Wie jedes Wirtschaftsunternehmen ist auch Apple mit seinen Produkten bestimmten Zyklen unterworfen und wie derzeit jedes Unternehmen, muss sich auch der Technologieriese den neuen Realitäten anpassen.

Dabei erreicht selbst ein Digitaler Champions League-Konzern wie Apple einmal den Punkt, an dem die etablierten Konzepte und Businessmodelle nicht mehr so gut funktionieren und das Management gefordert ist, eine strategische Neuausrichtung, sprich Transformation, vorzunehmen.

In genau diesem Prozess befindet sich die iPhone-Mutter derzeit. Apple transformiert sich dabei jedoch mit erheblicher Geschwindigkeit viel schneller von einem klassischen, auf Produktion fokussierten Konzern, zu einem Service-Unternehmen. Einen Schritt, den Microsoft mit weit stärkeren Wachstumsschmerzen durchmachen musste und jetzt mit Office365 beispielsweise als Gewinner dasteht.

So steigen die Einnahmen aus den Service-Bereichen und dem App-Store kontinuierlich. Fest geplant scheinen der Start eines eigenen Film- und Serien-Streaming-Dienstes. Zudem soll an ähnlichen Modellen im Games-Sektor gearbeitet werden. Auch sei an dieser Stelle noch einmal an ApplePay erinnert, dass tatsächlich das Zeug dazu hat, sich zum neuen PayPal zu entwickeln.

Zu einem solchen Transformationsprozess wären hierzulande nur die wenigsten Unternehmen in der Lage

Die Zeichen der Zeit hat das Management-Team um CEO Tim Cook längst erkannt. Der Wandel ist im vollen Gange. Und trotzdem bleiben nach Abzug aller Kosten rund 20 Milliarden Dollar Gewinn hängen. Das soll Apple erst einmal einer nachmachen.

Zu einem solchen Transformationsprozess wären hierzulande nur die wenigsten Unternehmen in der Lage. Das gilt übrigens im Besonderen auch zu folgendem Steve Jobs-Zitat, das sehr gut den besonderen Geist dieser Company widerspiegelt: „Ich bin genauso stolz auf die Dinge, die wir nicht gemacht haben, wie auf die Dinge, die wir gemacht haben. Innovation heißt, zu 1.000 Dingen nein zu sagen.“

Diese besonderen Fähigkeiten des iKonzerns, sowie seine tatsächliche und objektive Situation und eben nicht die gefühlte, kommt mir in der derzeitigen medialen Berichterstattung zu kurz. Sie ist ein klares Indiz, wie schwer sich viele Redaktionen bei der Bewertung und dem Verständnis von Transformationsprozessen tun und wie leicht es hierzulande ist, neidisch Vorreiter zu bashen.

Und trotzdem können wir uns schon jetzt auf das Next Big Thing aus Cupertino freuen.

Da schau an: Während ich diesen Text schreibe, heißt es auf einmal wieder in der deutschen Presse: „Doch seit Apple vergangene Woche seine neuesten Quartalszahlen vorgelegt hat, liegt die Aktie auf Comeback-Kurs. Nun besteigt Apple den Börsenthron erneut.“

2 Comments

  1. TSiekmann 06/02/2019 at 18:02 - Antworten

    In der Tat – aber das scheint nicht nur ein Problem der Medien zu sein. Der Ausbau der installierten Plattform bei Apple durch scheinbar ungeplante Akku-Repairservices oder durch die Tatsache, dass das neue Betriebssystem keine Altgeräte abhängt, ist so ein Punkt. Sehr geschickt geplant, mit grossem Effekt auf den Seviceverkauf, lösen diese Massnahmen bei vielen Gesprächspartnern Unverständnis oder sogar Häme aus („so viele kaputte Akkus …“).

    Das ist wie mit den Verlusten bei Tesla – die sehr weise aus Investitionen in Akkuzellproduktionen, Solarstromerzeugung und Ladeinfrastruktur entstanden sind. Aber hier doch oft den Reflex ausgelöst haben: Die gehen pleite.

    Die Eleganz dieser Planung ist vielen Menschen auch in der Industrie erst aufgegangen, als der Mangel an eigener Zellproduktion und die Lücken im Ladenetz jetzt offensichtlich ein grosser Wettbewerbsnachteil geworden sind. Leider ziemlich spät …

  2. Wenn uns die Erfahrung eines lehrt, dann ist es der Fakt, dass Apple nichts ohne Plan und Konzept tut. Natürlich geht nicht jeder Schachzug auf. Aber alleine dem strategisch-anspruchsvollen Agieren des Konzern zuzusehen ist ein Genuss.

Über den Autor: Willms Buhse

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Dr. Willms Buhse, CEO und Gründer von doubleYUU, bringt mit Digital Leadership die Innovationen des Silicon Valley in die Büros der deutschen Führungsetagen. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel und viele Top-Manager zählen zu seinen Kunden. Er hält Vorträge in Harvard, am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an deutschen Elite-Universitäten in Berlin, München oder Hamburg. Dr. Willms Buhse gilt über deutsche Grenzen hinaus als Vordenker der digitalen Elite. Wie kein Zweiter versteht er es, Ideen und Impulse aus der digitalen Welt auf die Realität deutscher Unternehmen zu übertragen.