30 Jahre WWW: Sind die Flegeljahre bald vorbei? Noch müssen die Big-Player viel über Verantwortung lernen – wie der Fall Christchurch zeigt

Und schon ist das Internet 30 Jahre alt. Vor wenigen Tagen erst feierte das Web seinen Geburtstag. Wie bei jedem Erwachsenen ist der 30. Geburtstag schon eine Art Zäsur. Denn die Flegeljahre sollten so langsam vorbei sein: Man hat sich gefunden, die Hörner abgestoßen und kann sich dem Ernst des Lebens widmen.

Ob das auch für das Web gilt? Da bin ich mir nicht immer sicher. Wenn man sieht, dass ein Amokläufer in Neuseeland seine Tat live bei Facebook streamt und es die großen Plattformen nicht einmal schaffen, das Video von ihren eigenen Plattformen zu löschen, sie aber trotzdem stolz verkünden, bereits Millionen Kopien eliminiert zu haben. Auch wenn innerhalb der Medienlandschaft heftige Debatten geführt werden, wie man mit diesem Material umgehen soll, muss ich doch klar sagen: Es ist ein technisches Armutszeugnis für die großen Plattformen, dass sie es in Zeiten von KI und Videoanalyse nicht schaffen, das Material in nahezu Echtzeit zu löschen beispielsweise überhaupt dessen Veröffentlichung zu verhindern.

Die Twitter-Suche 12 Stunden nach der Attacke von Christchurch

Zum 30. Geburtstag müssen einige der beherrschenden Player noch immer sehr viel über Verantwortung lernen.

Alle, die schon sehr früh im Internet unterwegs waren, frustriert und ärgert diese Erkenntnis schon. Immerhin verbanden wir mit dem weltweiten Web eine große Hoffnung für eine bessere Kommunikation, Völkerverständigung und Demokratisierung. Heute wissen wir, das Web befeuert keine balancierten Diskussionen, sondern vor allem extreme Meinungen. Bei Regierungen und Behörden löst genau das zudem den unstillbaren Drang aus, mehr Kontrolle und Regulierung ausüben zu wollen. Beides tut dem Web nicht gut.

Wie können wir das Internet retten?

Aber ich finde auch, dass es Hoffnung gibt. Wir Menschen konnten bislang noch jedes Problem lösen. Auch das bekommen wir hin. Ein erster Schritt wäre vielleicht, bewusster und transparenter zwischen Bereichen zu trennen, in denen wir mit unserer echten Identität unterwegs sind (mit entsprechender Sicherheit und Datenschutz) und Bereiche der Anonymität wie der des Darknets. Verhindern lassen sich weder eine Kommerzialisierung noch der Wunsch nach Anonymität. Jedenfalls nicht im selben digitalen Raum.

Über den Autor: Willms Buhse

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Dr. Willms Buhse, CEO und Gründer von doubleYUU, bringt mit Digital Leadership die Innovationen des Silicon Valley in die Büros der deutschen Führungsetagen. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel und viele Top-Manager zählen zu seinen Kunden. Er hält Vorträge in Harvard, am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an deutschen Elite-Universitäten in Berlin, München oder Hamburg. Dr. Willms Buhse gilt über deutsche Grenzen hinaus als Vordenker der digitalen Elite. Wie kein Zweiter versteht er es, Ideen und Impulse aus der digitalen Welt auf die Realität deutscher Unternehmen zu übertragen.