Wie in einer Louis-de-Funes-Klamotte: VWs neuer Fahrdienst Moia startet in Hamburg – ein Erfahrungsbericht

Seit Montag rollen 100 elektrifizierte Mini-Busse durch Hamburg. Sie sind beige/braun und gut zu erkennen. Tatsächlich nimmt man sie eigentlich jetzt schon besser wahr, als die Car2Go- oder die DriveNow-Flotten, die seit Jahren durch die Hansestadt kreiseln.

Die neuen Mini-Busse gehören zu Moia, dem neuen Mobility-Service von Volkswagen. Unter dem feschen Markennamen versuchen die Wolfsburger das Konzept der Sammeltaxis, das vor allem in industriell weniger erschlossenen Ländern (noch immer) bestens funktionieren, in die großen Metropolen zu holen.

Nach einem ersten Test in Hannover, gleiten die voll elektrifizierten E-Crafter jetzt auch durch Hamburg. Da wir bei doubleYUU ja ständig darauf hinweisen, wie wichtig es ist, neue Dienste, Ideen und Techniken erst einmal zu umarmen, ihnen positiv zu begegnen und sie mit einem gewissen Spieltrieb auch auszuprobieren, mussten wir natürlich auch im Fall von Moia selbst ran.

Wagemutig installierten wir die App und probierten – diese eine mögliche Zukunft von urbaner Mobilität — gleich mal aus. Ohne zu viel zu verraten: Es hatte slapstickhafte Züge. Man hätte meinen können, dass Billy Wilder bei unserem Ritt durch Hamburg Regie geführt hätte.

Die Moia-Reise im Zeitraffer:

17:42 Uhr     Wir melden uns bei Moia an. Funktioniert.

17:45 Uhr    Wir versuchen einen Fahrer zu bekommen.

  • Kreditkarte wird abgelehnt
  • Fahrer wird nicht gefunden

18:00 Uhr     Geschafft. Endlich haben wir einen Fahrer gefunden.

18:05 Uhr     Wir warten an der Haltestelle direkt am Moia-HQ in Hamburg.

18:10 Uhr     Unser Fahrer findet die Haltestelle nicht und fährt mehrfach im Kreis.

18:23 Uhr     Wir verlassen die Haltestelle und laufe zum Moia-Wagen (immerhin wird er uns ja auf der Karte in der App angezeigt).

18:25 Uhr     Fahrer kennt unsere Buchung nicht. Tatsächlich will er jemand anderen abholen. Auch der kommt angelaufen und steigt mit uns ein. Unsere Buchung wird gesucht und schließlich dürfen wir dann doch noch mitfahren.

18:27 Uhr     Wir fahren los

  • Wir sammeln einen dritten Gast ein.
  • Der ortsunkundige Fahrer hat die strenge Vorgabe, sich an die App-Route zu halten.
  • Die Routenberechnung tut sich mit großen, unnötigen Umwegen hervor. Alle Gästeausstiege liegen nahezu auf gerader Linie, trotzdem fahren wir Schlangenlinien durch den Hamburger Berufsverkehr.
  • Ein Gast steigt am Bahnhof Altona aus.
  • Wir fahren weiter durch die Pflastersteinstraßen von Ottensen. Die Route ist nach wie vor eine Katastrophe.

 

18:56 Uhr     Wir sind seit gut einer Stunde mit der ganzen Aktion zu Gange. Der zweite Gast steigt aus. Allerdings liegt die Haltestelle in einer Seitenstraße, die zu eng für den Moia-Bus ist.

  • Fahrer vermerkt dies in der App
  • Fahrer erhält neue Route
  • Fahrer will mich an neuer Route absetzen – Pech für die Leute auf der alten Strecke, die warten zuzusteigen.
  • Wir sind immer noch in den kleinen Straßen von Ottensen und brauchen gute weitere 30 Minuten bis wir am Zeil sind.

19:25 Uhr     Geschafft. Wir können endlich Aussteigen.

 

Unser Fazit:
Die E-Crafter sind groß, komfortabel und bieten mit WIFI und Phone-Charging eine gute Ausstattung. Allerdings ist die Basisleistung, also Menschen von A nach B zu bringen, ungenügend. Bahn, Bus, Taxi, Car-Sharing, Fahrrad: alles schneller. Nur Spazierengehen wäre wohl knapp langsamer gewesen. Unser normaler Pendlerweg zur Rush Hour beträgt rund eine halbe Stunde. Mit Moia brauchten wir mehr als 90 Minuten.

Hört sich erst einmal schlimm an. Aber aller Anfang ist schwer. Die Situation ist etwas peinlich für Volkswagen und Moia, weil man mit maximalem PR- und Werbedruck in Hamburg losgelegt hat. Das Konzept bleibt aber trotz aller Anlaufschwierigkeiten spannend. Immerhin funktioniert es in vielen Ländern dieser Welt – wenn auch eher als offline-Konzept. Wie so oft bei neuen Geschäftsideen, Techniken und Transformationsprozessen, geht es jetzt darum, dass man lernt und verbessert und dann weiter lernt und verbessert. Immerhin eines steht jetzt schon fest: Das (Verbesserungs)-Potential ist riesig.

2 Comments

  1. Hamburger 26/04/2019 at 11:43 - Antworten

    Die Erfahrung habe ich gestern auch gemacht. Insgesamt war ich für die 20-Minuten-Strecke eine Stunde unterwegs. Und musste noch zusätzlich 20 Minuten darauf warten, dass der Bus zur Abholung erscheint. Am Ende die Hoffnunf, es bald durch den zähen Hamburger Verkehr geschafft zu haben, als sich der Algorithmus entschied, noch vier andere Passagiere abzuholgen. Die Folge: ein neuer Umweg. Außerdem wird einem leicht schlecht in den Bussen: Denn die Fahrer kennen, verleitet durch den Elektromotor, nur Vollgas und Vollbremsung.

  2. Frank Wegner 19/10/2019 at 08:36 - Antworten

    Meine Erfahrungen mit Moia kurz nach deren Start waren auch ernüchternd. Ich hatte die App installiert, mich registriert und dann war mein Erfolg damit schon zu Ende. Ich wollte vor meiner ersten Buchung wissen, wo genau das Fahrzeug halten würde und was die Fahrt kosten sollte. Beides war in der App nicht zu sehen, die Hotline konnte mir auch nicht helfen. Und erst buchen, um dann zu sehen, wo ich einsteigen kann und was es kostet, das wollte ich nicht.

    Nach 5 Minuten habe ich die Moia App wieder deinstalliert. Was ich an Uber, Lyft, MyTaxi (heute FreeNow) so mag, ist dass ich vor der eigentlichen Buchung sagen kann, was ich ungefaähr bezahlen muss, und ich weiss, wo ich einsteigen kann.

    Das alles passierte vor ein paar Monaten. Ich habe Moia seitdem nie wieder ausprobiert. Und jetzt muss ich mich auch noch darum kümmern, wie ich meine Email aus deren System löschen kann, damit ich keine weieteren Werbe-Emails bekomme.

    Mein Fazit: In der Welt der neuen digitalen Dienste geht es sehr schnell. Wenn Du ein neues Geschäftasmodell anbieten willst, dann solltest Du mindestens so gut wie andere Dienste sein, und dann zusätzlich einen deutlich sichtbaren Wettbewerbsvorteil hinzufügen. Moia scheitert am ersten Punkt.

Über den Autor: Willms Buhse

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Dr. Willms Buhse, CEO und Gründer von doubleYUU, bringt mit Digital Leadership die Innovationen des Silicon Valley in die Büros der deutschen Führungsetagen. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel und viele Top-Manager zählen zu seinen Kunden. Er hält Vorträge in Harvard, am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an deutschen Elite-Universitäten in Berlin, München oder Hamburg. Dr. Willms Buhse gilt über deutsche Grenzen hinaus als Vordenker der digitalen Elite. Wie kein Zweiter versteht er es, Ideen und Impulse aus der digitalen Welt auf die Realität deutscher Unternehmen zu übertragen.