Guter Service als digitale PR – Kundenbetreuung via Twitter

Update 12.01.2012: o2 hat mir über Twitter Auskunft zum Loch in der Tweetstatsstatistik gegeben. Siehe unten.

Toll, dass immer mehr größere Konzerne die Möglichkeiten offener Systeme wie Twitter für ihren Kundenservice entdecken. Das ist nicht nur erfreulich weil in der Tat jeder von uns schon mal Fragen zu seiner Bahnverbindung oder seinem Telefonvertrag hatte, sondern auch weil bei erfolgreicher Umsetzung eine Vorbildfunktion für die gesamte Branche zu bemerken sein wird.

Ein zusätzliches Plus für den interessierten Nutzer ist, dass er transparente Einblicke in die Vorgehensweise der Projekte erhalten kann. Als Beispiel habe ich mal die Twitter-Service-Accounts der Deutschen Bahn (twitter.com/db_bahn), der Telekom (twitter.com/telekom_hilft) und des Mobilfunkanbieters o2 (twitter.com/o2de) mit dem kostenlosen Service tweetstats.com statistisch aufbereitet und verglichen:



Ohne dass die Betreiber Einfluss darauf hätten, lässt sich transparent auslesen, welche anderen Twitter-Accounts am meisten retweetet wurden und zu welcher Uhrzeit an welchem Wochentag die meisten Servicefragen beantwortet wurden. In der Grafik unten rechts ist zum Beispiel erkennbar, von wie viel verschiedenen Twitter-Clients Tweets abgesetzt worden sind. Hier ist augenscheinlich bei allen drei Accounts das Tool cotweet.com im Einsatz. Während aber bei o2 schon zehn verschiedene Lösungen zumindest erprobt wurden, sind es bei der Telekom drei und bei der Bahn vier.

Ich will mich jetzt nicht zu weit in Details verlieren, weil die Accounts wegen ihres unterschiedlichen Alters sowieso nur bedingt vergleichbar sind. Die Bahn engagiert sich erst seit Juni 2011 in diesem Bereich, hat aber von Anfang an einen relativ konstanten Schnitt von monatlich ca. 2000 Service-Tweets:

o2 dagegen ist mit dem Einstieg im Oktober 2009 absoluter Vorreiter, hat aber nach einem exponentiellen Anstieg auf über 3000 Tweets im Mai 2011 einen Absturz und dann eine viermonatige Pause (Keine Besetzung in den Sommerferien?) erlebt, bevor sie sich in den nun letzten drei Monaten bei jeweils 1200 bis 1300 Tweets einpendelten:

Größte Konstanz zeigt die Telekom, die im Mai 2010 begann und seitdem einen Schnitt von 2580 Tweets im Monat hält, was 120 Tweets am Tag entspricht:

Was bei allen Accounts auffällt ist der Fokus auf die auch im regulären Geschäftsverkehr geltenden Öffnungszeiten. Natürlich wäre es kein Problem, auch am Wochenende den Twitterdienst mit Personal zu besetzen nur fungieren diese in erster Linie als Verbindungsstellen zwischen dem Kunden und den jeweils mit seinem Anliegen betrauen Abteilungen, womit auch keine Dienstleistung möglich ist, wenn die betreffenden Ansprechpartner selbst am Wochenende ihre wohlverdiente Freizeit genießen.

Auch wenn diese drei Beispiele nun Twitter betreffen, lässt sich theoretisch auch mit anderen fremdgestellten oder selbst betriebenen Plattformen toller Kundenservice machen. Es geht bei einem offen einsehbaren Ticketsystem auch gar nicht darum, Druck auf die Mitarbeiter auszuüben. Im Gegenteil lassen sich durch die Analyse von solchen Arbeitsprozessen sogar Hindernisse aus dem Weg räumen, die die Mitarbeiter bei der Ausführung ihres Jobs behindern wie unzureichende technische Ressourcen oder überbürokratisierte Regelungen. Die Transparenz dient zudem nicht nur als Motivation sondern auch als Schutz bei ungerechtfertigter pauschaler Kritik.

Dies hat übrigens auch der mehrfach ausgezeichnete indische Erfolgs-Manager Vineet Nayar erkannt, der uns bei doubleYUU schnell beim Thema von statistischen Auswertungen eines Service-Systems in den Sinn kommt. Er hat in seinem eigenen Unternehmen sämtliche Prozesse über ein Ticket-System laufen lassen und es damit erreicht, dass sich mehr als 90 Prozent der auftretenden Fragen innerhalb von 24 Stunden klären ließen.

Transparente Statistiken funktionieren also nicht nur beim Service gegenüber dem Kunden sondern auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern und Kollegen (Stichwort: Enterprise 2.0). Für den Kundenservice bietet eine komplett geöffnete und damit neutrale Lösung wie Twitter noch ein zusätzliches Bonbon: Da jeder Servicetweet nicht nur vom Betroffenen sondern auch zahlreichen andern Nutzern gelesen wird, leisten die Service-Twitterer nebenbei effektive Öffentlichkeitsarbeit und können die Kundenneugewinnung unterstützen. Guter Service als digitale PR.

Update 12.01.2012: o2 hat mir über Twitter Auskunft zum Loch in der Tweetstatsstatistik gegeben:

2 Comments

  1. NM 05/01/2012 at 12:12 - Antworten

    Telekom Statistik in erster Grafik stimmen nicht. Sind ja identisch mit denen der DB.

  2. Joachim 05/01/2012 at 12:25 - Antworten

    Danke für den konstruktiven Hinweis. Habe ich sofort korrigiert.

Über den Autor: Willms Buhse

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Dr. Willms Buhse, CEO und Gründer von doubleYUU, bringt mit Digital Leadership die Innovationen des Silicon Valley in die Büros der deutschen Führungsetagen. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel und viele Top-Manager zählen zu seinen Kunden. Er hält Vorträge in Harvard, am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an deutschen Elite-Universitäten in Berlin, München oder Hamburg. Dr. Willms Buhse gilt über deutsche Grenzen hinaus als Vordenker der digitalen Elite. Wie kein Zweiter versteht er es, Ideen und Impulse aus der digitalen Welt auf die Realität deutscher Unternehmen zu übertragen.