Meine Keynote bei IBM über Führung: Künstlich? Intelligent!

„Künstliche Intelligenz kann Bluffs nicht durchschauen und ist deswegen Menschen beim Pokern unterlegen.“ Das war Teil meiner Keynote bei IBM Ende letzten Jahres, ich war dort für einen Impulsvortrag geladen – und zwar zum Thema Führung. Genauer, wen wundert’s: „Digital Leadership – neue Führung in Zeiten der digitalen Transformation“. Die Generationen Y und Z spielen natürlich nach wie vor eine große Rolle, weswegen im Übrigen auch nach wie vor lauter Studien aus dem Boden schießen, die allesamt ganz genau wissen, was die jungen Leute brauchen, damit sie auch ganz bestimmt im Unternehmen bleiben. Auch ich bloggte bereits darüber und kam in meinem Beitrag sowie bei IBM zu dem Schluss, dass viele Mythen eben Mythen sind.

Orientierung geben

Dass Hierarchien out sind zum Beispiel. Vielmehr wollen die so genannten Digital Natives sehr wohl Hierarchien, allerdings solche, die je nach Thema verhandelbar sind und sich an Wissen orientieren, statt an Betriebszugehörigkeit oder gar Alter. Zudem wird erwartet, dass Führungskräfte Visionen vorgeben und vorleben, an denen sich die jungen und neuen Mitarbeiter orientieren können. Passion für ein Thema setzen sie nachgerade voraus, ambitionslose, leidenschaftslose Führungskräfte werden als Hemmschuh empfunden.

Und hier kommen wir zur Eingangsthese. Denn eine andere Strömung scheint genau in die entgegengesetzte Richtung zu gehen. So belegt eine Studie des MIT (Massachusetts Institut of Technology), dass Arbeiter, die komplett von einem Roboter angewiesen werden, am zufriedensten waren. Wie bitte? Der Roboter ist der bessere Chef? Diese Studie ist nicht der einzige Hinweis, dass Roboter künftig Führungsaufgaben – bisher als der menschlichste Teil von Arbeit überhaupt wahrgenommen – sein könnten. So hat auch die japanische Firma Hitachi versuchsweise Roboter als Chefs eingesetzt, offenbar mit Erfolg. Die Produktivität sei in den so gesteuerten Fertigungsbereichen um acht Prozent gestiegen, so das Unternehmen. Zudem seien die Arbeiter zufriedener.

Roboter: Schneller, gerechter, lernfreudig

Das liegt daran, dass Roboter tatsächlich eine Menge von dem mitbringen, was man von einem guten Vorgesetzten erwartet: Sie sind objektiv und damit gerecht, unbestechlich, fleißig, entscheidungsfreudig und sie lernen schnell. Denn Künstliche Intelligenz ist ja längst mehr, als eine Ansammlung digitaler Formeln zur Lösung bestimmter Probleme. Selbstlernende Algorithmen sorgen dafür, dass permanent neue Erkenntnisse dazu gewonnen werden – Beispiel Siri: Je mehr Menschen Fragen an Siri stellen, desto besser, schneller und komplexer kann der Algorithmus antworten. „Deep learning“ heißt die Technologie, die Maschinen das Denken beibringt. Das von IBM entwickelte Computerprogramm Watson kann inzwischen sogar kochen!

Na, dann ist ja alles geritzt. Ein paar Jahre noch, und wir brauchen keine Chefs mehr, also keine aus Fleisch und Blut – oder? Das ist natürlich nicht so. Denn egal, wie gut die Technologie sein wird, wie perfekt sie lernt, wie gerecht sie entscheidet, wie effizient sie steuert: Sie kann nur das: alles richtig machen. Aber genau das werden wir – davon bin ich überzeugt – niemals wollen. Wir wollen eben auch unserer Intuition folgen, Fehler machen, schummeln, angeben, träumen oder eitel sein – und damit eben unperfekt, ungerecht und ineffizient. Also nicht jeder alles, aber die meisten manches ein bisschen. Was, wenn wir bei Gehaltsverhandlungen pokern wollen? Mit einem Roboter geht das wohl schlecht. Führungskräfte, die damit umgehen können und dennoch in der Lage sind, künstliche Intelligenz dort einzusetzen, wo sie hilfreich sind, sind die guten Chefs von morgen. Denn die sind eben nicht künstlich, sondern intelligent.

 

Bildquelle: SchubPhoto/Shutterstock

Über den Autor: Willms Buhse

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Dr. Willms Buhse, CEO und Gründer von doubleYUU, bringt mit Digital Leadership die Innovationen des Silicon Valley in die Büros der deutschen Führungsetagen. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel und viele Top-Manager zählen zu seinen Kunden. Er hält Vorträge in Harvard, am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an deutschen Elite-Universitäten in Berlin, München oder Hamburg. Dr. Willms Buhse gilt über deutsche Grenzen hinaus als Vordenker der digitalen Elite. Wie kein Zweiter versteht er es, Ideen und Impulse aus der digitalen Welt auf die Realität deutscher Unternehmen zu übertragen.