Der neue Manager: Empowered Teams bei Airbus
Vor einigen Wochen durfte ich bei Airbus eine Keynote zu Digital Leadership halten und dort Axel Flaig, Head of R&T (Research & Technology) kennenlernen, der bereits seit 15 Jahren an der Förderung und Implementierung von zukunftsweisenden Führungskonzepten arbeitet. Das Wirken von Herrn Flaig zeigt deutlich, dass es inspirierende Individuen sind, die für Veränderungen in einer Organisation sorgen, nicht Strukturen und Systeme. Axel Flaig brachte mit Team Empowerment frischen Wind in den Großkonzern und ist aus meiner Sicht ein herausragendes Beispiel für eine Transformation in einem Hochtechnologieumfeld. Eine spannende Persönlichkeit, die ich für die Leser meines Blogs interviewt habe.
Herr Flaig, Sie haben bei Airbus unglaublich viel erreicht. Woher kommt bei Ihnen diese Motivation und was treibt Sie als Manager so sehr an?
Mich persönlich hat es motiviert, dass ich bei Airbus die Chance und den Freiraum hatte, meine Einsichten zum Thema Führung zu erproben und zu experimentieren. Ich habe mich immer gerne mit der Frage beschäftigt, was Mitarbeiter motiviert und wie man über gute Führung und Teamarbeit zu besseren Ergebnissen und einer guten Arbeitskultur kommt. Natürlich kommt Motivation von innen heraus – dennoch haben Führung und Umgebung einen starken Einfluss.
Erzählen Sie uns ein bisschen von den Anfängen. Wie begann der Wandel bei Airbus?
Ende der 90er Jahre war ich für die Flugphysik in Deutschland verantwortlich. Wir wollten unsere Arbeitsumgebung innovativer und gleichzeitig angenehmer gestalten und organisierten als erstes Führungskräftetrainings, in denen unsere Manager z.B. in Rollenspielen ihre Stärken und Schwächen erproben konnten. Wir stellten fest, dass viele Manager großen Nachholbedarf im Bereich sozialer Kompetenz hatten. Ein Problem, dass Ingenieuren tatsächlich oft nachgesagt wird.
Der Change-Prozess war alles andere als einfach. Anfangs war es schwierig, über Führung zu sprechen und mit den konservativen Haltungen umzugehen. Doch mit der Zeit wurde es leichter und wir haben gemerkt, dass es zündet. Man konnte den Mehrwert wirklich spüren und die meisten Maßnahmen führten zu tollen Ergebnissen. Jahre später sind viele der damaligen Trainingsteilnehmer in gute Führungspositionen gekommen.
Sie haben jedoch nicht nur beim Management angesetzt, sondern auch das Thema Team Empowerment vorangetrieben. Können Sie uns hierzu mehr erzählen?
Ein französischer Professor aus Paris namens Isaac Getz hat ein inspirierendes Buch mit dem Titel „Freedom Inc“ geschrieben. Hierin geht es u.a. um selbstorganisierte Teams und um die notwendigen Erfolgsfaktoren. Ein guter Leitfaden! Team Empowerment bedeutet, Teams die Verantwortung für ihre Entscheidungen zu geben, sie zu selbstorganisierten Teams zu machen. Tatsächlich gab es auch Unternehmen, wie etwa Gore oder den Motorradhersteller Harley-Davidson, die mit gutem Beispiel vorangingen. Also diskutierten wir, ob das auch bei Airbus möglich wäre.
Wir starteten mit einigen Pilotprojekten und konnten schon nach wenigen Monaten erstaunliche Ergebnisse vorweisen. Eines der Teams hatte sich z.B. selbstständig für eine neue Konfliktmanagementkultur und in diesem Zusammenhang eine offene Feedbackkultur entschieden. Sie hatten alles selbst erarbeitet und eine Community gegründet. Nach diesem Piloten war die Motivation hoch, das Thema Team Empowerment voranzutreiben. Wir begannen damit, möglichst günstige Rahmenbedingungen zu schaffen und weitere Pilotprojekte zu starten.
Hier noch ein aktuelles Beispiel: Seit einigen Wochen erproben wir Teamwork und Empowerment auch auf der Ebene des mittleren Managements. Hierbei haben wir zwei hierarchische Ebenen „aufgelöst“ und in multifunktionale, selbstverantwortliche Teams „transformiert“. Diese Teams wiederum bilden ein Netzwerk, und sind somit in der Lage, die unterschiedlichsten Herausforderungen kollektiv, flexibel und effizient zu bewältigen. Sehr spannend!
Gab es auf dem Weg auch negative Erfahrungen?
Natürlich! Nicht alle Pilotprojekte verliefen erfolgreich. Aber wir tauschten uns intensiv aus und diskutierten offen die Hemmnisse. Insgesamt gab es zwar eine positive Dynamik, doch viele Mitarbeiter waren auch zurückhaltend – insbesondere im Mittelmanagement. Um Team Empowerment wirklich zu realisieren, braucht man charismatische Teamleiter und hochmotivierte Mitarbeiter, die diesen Prozess auch selbst wollen. Natürlich war das nicht in allen Teams der Fall. Es war und ist also ein langer Weg.
Welche Rolle hat Ihrer Meinung nach der Manager bei selbstorganisierten Teams?
Wenn Mitarbeiterbeteiligung wirklich gelingt, sind die Mitarbeiter sehr motiviert, sorgen selbst für Effizienz und haben zugleich mehr Spaß an der Arbeit. Das entlastet natürlich die Vorgesetzten. Der Manager muss sich daher auch entwickeln: Er wird zum Coach, räumt Hindernisse aus dem Weg und gibt Support wo es nötig ist. Er ist dafür verantwortlich, für die Mitarbeiter einen Kontext herzustellen und permanent daran zu arbeiten, dass sich das Bild, das die Mitarbeiter vom Unternehmen haben, weiterentwickelt. Wir haben hierfür oft Tools wie das Canvas Business Modell genutzt (Anm. WB: Einen weiterführenden Beitrag zum Canvas Business Modell von Dr. Judith Gentz finden Sie hier).
Mit der Zeit arbeiten die Teams völlig selbstständig. Hier ein Beispiel: Letzten Sommer war ich ein paar Wochen krank. Ein echt blöder Zeitpunkt, weil eine wichtige Management-Präsentation anstand. Doch das Team hat diese komplett ohne mich gemacht und war damit auch erfolgreich. Ich habe mich dabei nicht überflüssig gefühlt, sondern mich sehr gefreut. Wenn das Team derart selbstorganisiert ist, gibt mir das den Freiraum, weiterzudenken und mich organisatorischen und strategischen Fragen zu widmen.
Team Empowerment kann man noch weiter treiben. Manche Unternehmen führen demokratische Prozesse ein und lassen das Management durch die Belegschaft wählen. Können Sie sich das vorstellen? Wo sehen Sie bei dem Thema Grenzen?
Ich sehe das in der Konsequenz bei uns im Moment nicht, aber theoretisch ist das absolut möglich. Ich würde sagen, auf einer Skala von eins bis zehn sind wir aktuell auf Level drei. Das heißt, es gibt auf jeden Fall noch Luft nach oben. Das Schöne ist, dass gerade die junge Generation im Unternehmen diese Entwicklung unterstützt und antreibt.
Es wird zwar definitiv noch dauern bevor wir tatsächlich unsere Führungskräfte wählen, doch in anderen Bereichen verzeichnen wir erstaunliche Fortschritte. So erkunden wir z.B. beim Thema Performance Measurement neuartige Lösungen. Klassischerweise hat jeder Mitarbeiter eine Zielvereinbarung und die Erreichung dieser Ziele wird in regelmäßigen Abständen vom Vorgesetzten überprüft. Wir sind dazu übergegangen, nicht nur individuelle Zielvereinbarungen zu treffen, sondern auch sogenannte „team objectives“. Die Arbeit jedes Einzelnen soll im Team durch die anderen Kollegen eingeschätzt werden. So bekommen wir eine breite, qualitativ hochwertige und präzise Beurteilung.
Eine letzte Frage: Wie sieht eine Arbeitsumgebung idealerweise aus?
Wir setzen auf offene Räume, die minimal unterteilt sind. Seit einem Jahr arbeite ich selbst mit meinem Management-Kollegen in einem Open Space. Wir sehen uns öfter, führen häufig ad hoc Diskussionen und reagieren so viel spontaner. Ich mache selten den Chef und agiere eher wie ein Teammitglied. Ich muss sagen, es macht großen Spaß.
Vielen Dank für das Gespräch Herr Flaig! Und weiterhin viel Erfolg für Sie und Ihr Unternehmen!
Hier finden Sie mehr zur Changebegleitung durch doubleYUU. Sie haben weitere Fragen? Wir helfen Ihnen gern, melden Sie sich bei uns!
BU Beitragsbild: Airbus